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Die Verschwundenen

Die Verschwundenen

Wolfgang Popp

Hardcover
2015 Edition Atelier
Auflage: 2. Auflage
240 Seiten; 20.5 cm x 12.5 cm
Sprache: Deutsch
ISBN: 978-3-903005-02-0

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Hauptbeschreibung
Fünf Menschen brechen plötzlich alle Kontakte und Zelte in ihrer Heimat ab und beginnen ein neues Leben, in Cambridge, Pompeji und Sri Lanka. Viele Jahre später tauchen sie wieder auf – während die einen zufällig gefunden werden, wenden sich die anderen an die, die sie einst zurückgelassen haben.
Wolfgang Popp lässt fünf Erzähler von ihren Wiederbegegnungen mit diesen 'Verschwundenen' berichten. Sie versuchen, hinter das Geheimnis ihres plötzlichen Verschwindens zu kommen und machen dabei erstaunliche Entdeckungen sowie die eine oder andere Reise in die Vergangenheit.

Zitat aus einer Besprechung
„Wolfgang Popps Erzählungen sind von einer so erfrischenden Originalität, dass man zunächst einmal ziemlich aus den Socken gehauen ist.“
- Sophie Weigand, Literaturen

Wolfgang Popp, geboren 1970 in Wien, Studium der Sinologie und Geschichte in Wien und China. Langjährige Tätigkeit als Studienreiseleiter im Fernen Osten. Daneben entstehen Dokumentarfilme und Kurzgeschichten. Seit 2005 freier TV- und Radio-Redakteur beim ORF. Seit 2008 Anstellung als Kulturredakteur beim ORF-Radio Ö1. Zuletzt erschienen: Ich müsste lügen (Folio Verlag, 2013)

'In dem Sommer, in dem wir beide zwanzig wurden, begann Philip schon an seiner Diplomarbeit zu schreiben. Er verbrachte zwei Monate auf einer Berghütte, wo er Dohlen beobachtete. In den böigen Winden über dem Gipfelgrat führten die Vögel die wildesten Flüge auf, die wie eine halsbrecherische, dabei aber völlig nutzlose Spielerei schienen. Und Philip wollte herausfinden, ob dieses Verhalten nicht doch einen sinnvollen Zweck verfolgte.
Als Philip im Herbst wieder zurück in die Stadt kam, trafen wir uns an einem lauen Septemberabend, und obwohl er sonnengebräunt war von seinen Wochen in den Bergen, sah er schlecht aus. Seine Augen waren glasig und rot unterlaufen, so als ob er schon lange nicht mehr ausreichend geschlafen hätte. Trotz dieses erschöpften Eindrucks wirkte er aber seltsam entschlossen. Seine Stimme war tiefer als sonst, und er sprach auch langsamer, als er mir erzählte, dass ihm die Zeit auf dem Berg die Augen geöffnet hätte. Er würde sein Studium abbrechen und sich ganz der Vogelbeobachtung widmen. Er habe auch schon eine ganz konkrete Region ins Auge gefasst, da würde er hingehen, für mehrere Jahre wahrscheinlich.
Durch Philips Eigenheiten war unsere Freundschaft – ich nenne sie jetzt trotz Philips Einwand so – nie einfach gewesen. Die Arroganz, mit der er seine Umgebung häufig betrachtete, seine Unnahbarkeit und seine Sturheit ließen unsere Treffen manchmal so anstrengend verlaufen, dass ich immer wieder froh war, ihn eine Zeit lang nicht zu sehen. Aber in den Sommermonaten, die er auf dem Berg verbracht hatte, war er mir abgegangen, und so war die Neuigkeit, dass er Wien verlassen wollte, ein schwerer Schlag für mich.
Du hast dich die ganze Zeit über nie gemeldet, sagte ich im Koppensteiner nach einer längeren Pause und hätte in diesem Moment gerne ein Glas gehabt, um mich daran festzuhalten.
Philip hatte die letzten zehn Jahre damit verbracht, das Vogelleben auf dieser seltsamen Insel Hugh zu beobachten und zu beschreiben. Er hatte sehr gut vom Erbe seines Vaters leben können, mittlerweile, so erzählte er, war das Geld aber fast aufgebraucht. Sein Buch The Birds of Hugh war zwar von einer englischen Eliteuniversität gedruckt und in Fachkreisen gelobt worden, der Buchverkauf hatte ihm allerdings nur eine lächerlich geringe Summe eingebracht.
Ich brauche dringend Geld, und wie der Zufall so will, hat sich jetzt eine einzigartige Möglichkeit aufgetan, sagte Philip.
Ich hatte mir gerade die erste Gabel meines Kreolischen Huhns in den Mund geschoben und nickte deshalb nur kauend. Philip stellte die Getränkekarte so zwischen uns auf, dass er meinen Teller nicht sehen konnte, und erzählte dann weiter.
Es gibt da ein Käuzchen, das in der Antike eine große Rolle gespielt hat. Plinius der Ältere hat es in seiner Naturgeschichte sehr genau beschrieben. Diese Athene noctua noctua ist eng mit dem heutigen Steinkäuzchen verwandt, die Federzeichnung auf der Stirn dieses Vogels zeigte aber zwei dunkle Flecken. Die antiken Griechen nannten diese Punkte die Augen des Hades und betrachteten die Athene noctua noctua deshalb als Todesboten. Heute kennt man sie nur aus Beschreibungen und von bildlichen Darstellungen, weil sie seit der Antike als ausgestorben galt.
Vor zwei Wochen will nun jemand die Athene noctua noctua in den Ruinen von Delphi gesehen haben. Prompt ist eine amerikanische Stiftung auf die Sache aufmerksam geworden und hat eine Prämie ausgesetzt, sagte Philip und nahm jetzt erstmals einen Schluck von seinem Bier. Wer das erste Foto der Athene liefert, bekommt 75.000 Dollar.'